(Bild: EURwanda Handcraft Foundation e.V.)

Wann ist es Weiterbildung?

Seit mehreren Jahren führt die EURwanda Handcraft Foundation e.V. ein Austausch- und Bildungsprojekt in Ruanda durch. Im Rahmen des Projekts haben letztes Jahr 25 Handwerksprofis aus Deutschland gemeinsam mit 15 ruandischen Berufsschülern und -schülerinnen ein baufälliges Gemeinde- und Jugendzentrum saniert. Dieses innovative Programm fördert den interkulturellen Austausch und die handwerklichen Fähigkeiten der Teilnehmer. 

Für die Reise nach Ruanda im letzten Jahr hat Gründer Norbert de Wolf beim Hamburger Institut für Berufliche Bildung Bildungsurlaub für die Teilnehmenden beantragt. Die Anerkennung des Bildungsurlaubs für die beantragte Veranstaltung wurde mit der Begründung, dass die Veranstaltung nicht den anerkennungsfähigen Bildungsbereichen gemäß § 1 des Hamburgischen Bildungsurlaubsgesetzes (BiUrIG HA) zugeordnet werden kann, abgelehnt. Nach § 15 (2) BiUrIG HA können nur Veranstaltungen anerkannt werden, die sich auf die politische Bildung, berufliche Weiterbildung oder Qualifizierung für die Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten beziehen. Diese Bereiche umfassen die Förderung der Fähigkeit der Arbeitnehmer, politische Zusammenhänge zu beurteilen, ihre berufliche Qualifikation zu verbessern oder ehrenamtliche Tätigkeiten auszuüben.

Die eingereichten Unterlagen ermöglichten laut der Ablehnung keine Zuordnung zu den im Gesetz oder der Verordnung genannten Bereichen. Zudem wurde festgestellt, dass das das eingereichte Programm die Bedingungen für eine Anerkennung nicht erfüllt, da es sich nicht um eine strukturierte, methodisch und didaktisch geeignete Weiterbildung handelt. Stattdessen handelt es sich um eine Projektarbeit, die handwerklich orientiert ist und daher nicht als berufliche Weiterbildung anerkannt werden kann.

Die Entscheidung des Hamburger Instituts für Berufliche Bildung ist für de Wolf unverständlich. Denn: Die beantragte Bildungsveranstaltung steht im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen und deckt die anerkennungsfähigen Bildungsbereiche sowohl inhaltlich als auch didaktisch und methodisch umfassend ab. Gegen die Entscheidung hat die EURwanda Handcraft Foundation Widerspruch eingelegt.In diesem heißt es: Die Veranstaltung beinhaltet einen praktische Austausch zwischen jungen Handwerkerinnen und Handwerkern aus Europa und Ruanda, der sowohl handwerkliche als auch kulturelle Aspekte umfasst. Während der Veranstaltung besuchen die Teilnehmer Handwerkslieferanten, Baustellen und das Genocide Memorial Center in Ruanda, um sich mit historischen und politischen Zusammenhängen auseinanderzusetzen und die ökonomischen Verhältnisse besser zu verstehen.

Darüber hinaus werden die Teilnehmer von erfahrenen Handwerksmeistern und Berufsschullehrkräften angeleitet, die das Programm methodisch abwechslungsreich gestaltet haben. Die Veranstaltung fördert nicht nur die beruflichen Kompetenzen der Teilnehmer, sondern schult sie auch in interkultureller Kompetenz und Nachhaltigkeit. Diese Aspekte sind wesentliche Bestandteile der beruflichen Weiterbildung gemäß § 1 (3) BiUrIG HA.

Die Veranstaltung wurde bereits in der Fachwelt anerkannt und gewürdigt, unter anderem durch die Schirmherrschaft des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Zudem hat das Austausch Projekt bereits 2015 den Hermann-Schmidt-Preis für herausragende Leistungen und Innovation  in der beruflichen Weiterbildung erhalten.

Darüber hinaus qualifiziert die Veranstaltung die Teilnehmer auch für ehrenamtliche Tätigkeiten im internationalen Kontext, indem sie soziale, emotionale und interkulturelle Kompetenzen fördert. Diese Qualifikationen sind zweckdienlich für ehrenamtliche Tätigkeiten und steigern die Selbstwirksamkeit der Teilnehmer.

In Anbetracht dieser umfassenden inhaltlichen und methodischen Ausrichtung erfüllt die Bildungsveranstaltung zweifelsfrei die gesetzlichen Anforderungen für eine Anerkennung gemäß § 15 in Verbindung mit § 1 BiUrIG HA. 

Trotz der ausführlichen Begründung blieb die Anerkennung von Bildungsurlaub aus. Der MALER hat mit Norbert de Wolf, Vorstand der Foundation, gesprochen.

MALER: Können Sie sich bitte kurz vorstellen und erklären, was Ihre Organisation macht?

Norbert de Wolf: Ich bin seit Januar 2018 bei der EURwanda Handcraft Foundation e.V. tätig. Vorher habe ich das Sozial- und Bildungsprojekt für Ruanda und Rheinland-Pfalz": Geselle trifft Gazelle" initiiert, das mittlerweile auch zu einem umfassenden Programm zur Förderung des Maler-Handwerks in Deutschland und Ruanda gewachsen ist.

MALER: Was genau ist das Ziel der EURwanda Handcraft Foundation?

de Wolf: Das Hauptziel ist es, junge Menschen in Deutschland und Ruanda für das Handwerk zu begeistern. Ich selbst bin kein guter Handwerker, deshalb weiß ich, wie wichtig diese Fertigkeiten sind. Junge Menschen benötigen nicht nur fachliche Kompetenzen, sondern auch soziale Fähigkeiten. Wer gut im Team arbeiten kann und offen für Neues ist, hat meistens auch die nötigen technischen Fähigkeiten. Zudem finde ich, dass jeder, der es sich leisten kann, Gutes tun sollte, um diese Welt ein bisschen besser zu machen. 

MALER: Wie kam es dazu, dass Sie Ruanda als Partnerland gewählt haben?

de Wolf: Rheinland-Pfalz und Ruanda haben die älteste Partnerschaft zwischen einem deutschen Bundesland und einem afrikanischen Land. Sie besteht schon über 40 Jahre. Ich wohne in Trier, bin aber Holländer und im Kongo geboren. Ruanda ist ein sicheres Land und ich wollte diese bestehende Verbindung nutzen, um etwas Positives zu bewirken.

MALER: Welche Art von Projekten führen Sie in Ruanda durch?

de Wolf: Wir arbeiten an verschiedenen Projekten, darunter auch ein Jugendzentrum für die historisch marginalisierte Bevölkerung (HMB) in Ruanda. Wir bringen Handwerker aller Gewerke aus Deutschland und Ruanda zusammen, die gemeinsam an Projekten arbeiten. Letztes Jahr reisten wir mit 25 Handwerkern unter dem Motto „One Team One Mission“ dort hin. Im Rahmen der Reise sanieren die Handwerker und Handwerkerinnen ein Jugendzentrum, um den jungen Menschen in Ruanda einen Platz zu geben, wo sie gemeinsam Zeit verbringen können. Dazu haben wir geholfen die Lebensumstände von der HMP, die Ärmsten der Ärmste , ein bisschen zu verbessern.Wir haben viel erreicht, sowohl fachlich als auch kulturell.

MALER: Welche Herausforderungen begegnen Ihnen bei dieser Arbeit?

de Wolf: Bürokratische Hürden sind eine große Herausforderung, sowohl in Deutschland als auch in Ruanda. Besonders problematisch ist es, Bildungsurlaub für unsere Reisen gestattet zu bekommen, obwohl sie als Weiterbildung gilt. Wir haben einen Antrag gestellt, der leider abgelehnt wurde. In Ruanda müssen wir oft spontane Anpassungen vornehmen, weil Termine nicht immer pünktlich eingehalten werden. Hier ist flexibilität und Improvisation angesagt. Trotzdem bekommen wir viel Unterstützung von allen Seiten, sei es von der Partnerverein in Kigali oder der ZDH.

MALER: Mit welcher Begründung wurde der Antrag auf Bildungsurlaub abgelehnt?

de Wolf: Den Antrag für den Bildungsurlaub müssen wir in Hamburg stellen, dort wird auch für andere Bundesländer entschieden. Leider wurde dieser Antrag abgelehnt. Die Begründung war, dass unsere Art der Weiterbildung nicht den üblichen Richtlinien entspricht, obwohl wir nachweislich innovative und wertvolle Arbeit leisten. Es ist nicht wirklich verständlich ; wir bringen ein extrem breite Palette an Fähigkeiten und Erfahrungen. In Bayern und Sachsen gibt es beispielsweise gar keinen gesetzlichen Anspruch auf Bildungsurlaub. 

MALER: Wie sind Sie mit dem Rückschlag umgegangen?

de Wolf: Wir haben einen Anwalt eingeschaltet und versucht, gegen die Entscheidung vorzugehen, aber das Gericht hat unsere Argumente ebenfalls abgelehnt. Viele Teilnehmer mussten sich dann Urlaub nehmen oder ihre Arbeitgeber um Unterstützung bitten. Es ist enttäuschend, besonders weil diese Art von Weiterbildung damals  mit dem Hermann Schmidt Preis ausgezeichnet wurde – der Preis für Innovation in Weiterbildung. Das sollte den Behörden doch deutlich genug machen, dass unser Projekt wichtig für die Weiterbildung ist. 

MALER: Wie finanzieren sich Ihre Projekte trotz dieser Hürden?

de Wolf: Unsere Teilnehmer bezahlen ihre Reisen oft selbst, unterstützt durch Sponsoren, Arbeitgeber oder Familie. Weiterhin  finanzieren wir uns hauptsächlich durch Spenden und ehrenamtliche Arbeit. Wir bauen auch Brückentage in unsere Reisen ein, um die Anzahl der benötigten Urlaubstage so gering wie möglich zu halten.

MALER: Was sind Ihre Zukunftspläne für das Projekt, insbesondere in Bezug auf den Bildungsurlaub?

de Wolf: Wir möchten weiterhin junge Menschen für das Handwerk begeistern und unsere Projekte ausbauen. Es ist uns wichtig, innovative Wege in der Weiterbildung zu gehen und dabei bürokratische Hürden zu überwinden. Langfristig hoffen wir, dass wir mehr Anerkennung und Unterstützung für Bildungsurlaubsanträge erhalten, damit mehr junge Menschen an unseren Projekten teilnehmen können.

MALER: Herr de Wolf, vielen Dank für das Gespräch.